Nach mehr als 20 Jahren im April 2021 begleiten MitarbeiterInnen der NGO Snaga Žene aus Tuzla die Zeugin F. Sie besuchten gemeinsam den Ort, an dem F. 1992 vergewaltigt worden war. „Ich bin mit zwei Brüdern und einer Schwester in einem Familienhaus in Vlasenica aufgewachsen. Im Mai 1992 floh ich mit meiner Mutter, meinem jüngeren Bruder und meiner Schwester aus meinem Dorf. Während der Flucht wurden wir gefangen genommen und in das Lager Sušica gebracht, wo wir 10 Tage verbrachten. Nachdem wir das Lager Sušica verlassen hatten, fuhren wir nach Cerska, wo wir auf dem Schulgelände untergebracht wurden und dort zehn Tage verbrachten. Am zehnten Tag meines Aufenthalts in Cerska ging ich mit der Armee von Bosnien und Herzegowina zu meinem Haus, um Lebensmittel für
die Familie abzuholen und meinen Vater zu besuchen, der im Haus geblieben war. Bei meiner Ankunft wurde ich erneut gefangen genommen und mein Vater wurde vor meiner Haustür getötet. Nach der Gefangennahme wurde ich erneut in das Lager Sušica gebracht, wo ich 21 Tage blieb. Während dieses Aufenthalts im Lager Sušica im Juni 1992 wurde ich zweimal vergewaltigt, körperlich und seelisch misshandelt, von Soldaten ausgehungert. Ich war Zeugin von körperlichen Misshandlungen anderer Gefangener.
Nach 21 Tagen in Sušica wurde ich nach Pšelemiš – der Demarkationslinie – gebracht, von wo aus ich nach Kladanj in der bosnischen Föderation ging. In Kladanj war ich 20 Tage im Kindergarten untergebracht, dann in Živinice in einer Schule, wo ich 15 Tage blieb. Dann ging ich nach Tuzla in eine Privatunterkunft. In der Zeit zwischen meiner zweiten Gefangennahme in Sušica bis zu meiner Ankunft in Tuzla wusste ich nicht, was mit meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Schwester geschehen war. Im Jahr 1995 fand ich sie wieder und lebte mit ihnen in einem gemieteten Haus im Tuzlaer Stadtteil Piskavica.”